Trotz grundsätzlich getrennter Geschäfte können viele Darlehensverträge im Verbund mit den Immobilienkaufverträgen rückabgewickelt werden

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Das lang herbeigesehnte Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH XI ZR 91/99 vom 09.04.2002), mit dem als Haustürgeschäft abgeschlossene Darlehen widerrufen werden können, ist gesprochen. Die anfängliche Euphorie unter den betroffenen Steuersparern und Kleinstimmobilieneigentümern, die noch nach den ersten Pressemitteilungen über das Urteil herrschte, hat sich gelegt. Ernüchterung macht sich breit. Viele der Betroffenen glauben nach dem Lesen der Urteilsgründe, daß ihr Fall nun endgültig verloren sei.

Diese Einschätzung spiegelt jedoch nicht die nach dem Urteil geltende Rechtslage wider. Sie reflektiert nicht den inhaltlich höchst bedeutsamen letzten Satz des Urteils.

Der Reihe nach: Strukturvertriebe bemühten sich in der Vergangenheit darum, Kleinanleger für den Erwerb von Eigentumswohnungen zu begeistern, die voll auf Kredit finanziert wurden und somit kein Eigenkapital erforderten. Die Miete zusammen mit den erwarteten Steuervorteilen sollte die monatlichen Zins- und Tilgungslasten aus dem Darlehen übertreffen, so daß der Kleinanleger ohne eigene Entbehrungen in Kauf zu nehmen automatisch zum Eigentümer einer lastenfreien Immobilie avancierte.

Die Rechnung ging nicht auf. Die mit Hochglanzprospekten beworbene Idylle endete im Fiasko. Weiche Kosten beim Erwerb dieser Steuersparimmobilien - Vertriebs-, Finanzierungs- und Vermittlungsprovisionen – sowie ein kräftiges Disagio auf den Auszahlungskurs des Darlehens sorgten schon zu Beginn dafür, daß der Wert der erworbenen Immobilie in keinem Verhältnis zum aufgenommenen Darlehensbetrag stand. Laufende Unterdeckungen bei den eingenommenen Mieten, hoher Leerstand, verschwindend geringe Steuervorteile trugen ein übriges dazu bei, daß die Darlehensraten eben nicht nur aus den Erträgen des Objektes gezahlt werden konnten, sondern das schmale Eigenkapital der verführten Anleger obendrein aufzehrten.

Ihre Hoffnung setzten die enttäuschten Anleger in die deutschen Gerichte. In fast allen Fällen erfolgte die Kontaktaufnahme für diese Geschäfte nicht durch den späteren Anleger, sondern durch gezielt eingesetzte Vermittler – telefonisch oder persönlich, am Arbeitsplatz, zu Hause oder auf öffentlichen Plätzen -. So abgeschlossene Geschäfte heißen Haustürgeschäfte. Haustürgeschäfte können in einer kurzen Frist widerrufen werden. Erfolgt keine Belehrung über das Widerrufsrecht, können derartige Geschäfte während der laufenden Vertragsbeziehung noch jederzeit widerrufen werden. Am 09.04.02 hatte der BGH entschieden, daß das Widerrufsrecht auch auf die bei den Steuersparanlagen gewährten grundpfandrechtlich gesicherten Darlehen Anwendung findet.

Der Wortlaut – und damit Begründung und Reichweite des Urteils – blieb dagegen zunächst noch unbekannt. Die Spekulation konnte blühen. Als ganz entscheidend für die wirtschaftliche Bedeutung des Darlehenswiderrufs wurde die Antwort des BGH auf die Frage erachtet, ob sich der in bezug auf das Darlehen ausgesprochene Widerruf ebenso auf den Immobilienkauf erstreckt, der mit dem Darlehen finanziert wurde. Diese Frage ist nunmehr mit den nachgereichten Urteilsgründen beantwortet: Darlehensvertrag und Kaufvertrag stellen grundsätzlich zwei separate Geschäfte dar (mögliche Ausnahmen bei intensiver Zusammenarbeit zwischen Darlehensgeber und Verkäufer). Aus der Unwirksamkeit des Darlehens folgt nicht automatisch auch die Unwirksamkeit des Immobilienkaufvertrags.

Diese Entscheidung überrascht eigentlich nicht, denn bereits am 18.04.2000 entschied der BGH (XI ZR 193/99, NJW 2000, 2352), daß es sich beim Vertrieb einer Steuersparimmobilie, bestehend aus der Wohnung und dem sie finanzierenden Kredit nicht um ein verbundenes Geschäft gemäß § 9 VerbrKrG handelt, sondern um zwei separate Geschäfte. Diesen Lösungsweg des BGH bezeichnete man im Folgenden als Trennungstheorie.

Die Trennungstheorie läßt den Kaufvertrag fortbestehen. Doch der letzte Satz des jüngsten Urteils öffnet Türen: „Ob der Kaufvertrag aus anderen Gründen unwirksam ist, was für die Rückabwicklung des Realkreditvertrages nach § 3 HWiG von Bedeutung sein kann, wird das Berufungsgericht gegebenenfalls noch zu prüfen haben.“

Im Klartext: Die fehlende Widerrufsbelehrung macht den Kreditvertrag unwirksam, der Kaufvertrag hat zunächst noch Bestand. Er kann aber aus anderen Gründen unwirksam sein. In Betracht kommen bspw. – diese Aufzählung ist unvollständig -:

- ein sittenwidrig hoher Kaufpreis. Diese Situation ist bei sehr vielen Kaufverträgen gegeben.

- eine erfolgreiche Anfechtung wegen Arglist oder Irrtum.

- eine verbotene Rechtsberatung durch die mit Treuhandauftrag bevollmächtigte Person beim Abschluß des Kaufvertrags.

Treten somit andere Gründe hinzu, so wird nicht selten das gesamte Geschäft nichtig sein, was nach der bislang ergangenen Rechtsprechung in der Regel zu folgendem Verfahren der Rückabwicklung führt: Die Bank kann nicht vom Darlehensnehmer, sondern nur vom Verkäufer, weil dieser letztlich Zahlungsempfänger war, den ausgezahlten Darlehensbetrag zurückfordern. Und auch die Nutzungen aus dem Darlehensbetrag muß sich nicht der Kreditnehmer, sondern der Verkäufer zurechnen lassen, denn er hat unrechtmäßig Nutzen aus dem an ihn überwiesenen Darlehensbetrag gezogen. Der Verkäufer seinerseits kann vom Darlehensnehmer die Rückübertragung der übereigneten Wohnung verlangen, der Darlehensnehmer von der Bank die während der Darlehenslaufzeit unrechtmäßig gezahlten Zinsen.

Der Schwarze Peter liegt damit bei der Bank, denn sie trägt das Risiko, daß der Verkäufer möglicherweise nicht solvent genug ist, Darlehen und gezogene Nutzungen zu erstatten Der Darlehensnehmer ist aus dem Schneider.

Und auch solche Steuersparer, die sich keinen Weg zur Unwirksamkeit des Kaufvertrages zu ebnen vermögen, können zumindest Teile ihrer Last aus dem mißratenen Engagement dem Darlehensgeber aufbürden.

Der ausgesprochene Widerruf wirkt unmittelbar in die Zukunft. Man entledigt sich der monatlichen Zins- und Tilgungsleistungen, schuldet aber umgehend auch die Rückzahlung des Kredits. Der Widerruf des gewährten Darlehens kann somit nur durch solche Darlehensnehmer erfolgen, welche über ausreichend Eigenkapital verfügen, das gewährte Darlehen zurückzuführen oder auf der erworbenen Immobilie über ausreichend Finanzierungsspielräume verfügen, die noch bestehende Eigenkapitallücke zu schließen. Der Widerruf kann in diesen Fällen sinnvoll sein, weil ein möglicherweise mit hohem Zinssatz zu bedienendes Festzinsdarlehen auf die gegenwärtig günstigen Zinskonditionen umgestellt werden kann, ohne eine Vorfälligkeitsentschädigung zu entrichten. Bereits dieser Effekt kann den Steuersparer erheblich entlasten.

Auch die in die Vergangenheit gerichtete Rückabwicklung der Darlehensbeziehung führt in den meisten Fällen zu einer Entlastung des Kreditnehmers. Die Bank hat die vom Schuldner erhaltenen Zins- und Tilgungszahlungen zurückzuerstatten. Für die Zeit, innerhalb welcher der Darlehensbetrag tatsächlich der Bank entzogen war, darf sie allerdings Wertersatz für den Gebrauch des Darlehens fordern. Zwar existiert noch keine eindeutige Rechtsprechung im Hinblick auf die Höhe des zu leistenden Ersatzes. Wahrscheinlich ist jedoch, daß die Bank keinen Anspruch auf die im Zinssatz enthaltenen Gewinnbestandteile hat, denn das würde gerade bedeuten, daß das Geschäft für die Vergangenheit betrachtet doch zustandegekommen ist. Insofern steht zu erwarten, daß eine Verzinsungspflicht nur in Höhe des Refinanzierungszinssatzes – im allgemeinen - ein Pfandbriefzinssatz besteht.

Möglicherweise erweist sich der Widerruf auch in jenen Fällen als sinnvoll, in denen die Möglichkeit, der Darlehensrückzahlung überhaupt nicht besteht. Die Konsequenz wäre die Zwangsversteigerung der Immobilie, eine Pfändung ins Privatvermögen, in vielen Fällen sogar die persönliche Insolvenz – ein Ende mit Schrecken.

Das Nichtstun dagegen führt zu einem weiteren Anstieg der Verschuldung. Eine spätere Zwangsversteigerung wird sodann eine noch höhere private Schuld offenbaren, den Darlehensnehmer damit noch mehr verstricken.

Wie man sich in dieser Frage entscheidet, klärt man am besten mit einem auf den Bereich der Steuersparimmobilien spezialisierten Anwalt.

Autor
Susanne Hahn
Autor
Prof. Dr. Klaus Wehrt
Anschrift
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Prof. Dr. Klaus Wehrt
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