Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 13.02.2006

Fachartikel

Az.: 1 O 219/05

Urteil verkündet am 13.02.06

 

Landgericht Heidelberg

1. Zivilkammer

Im Namen des Volkes

 

In dem Rechtstreit

 

1.

2.

- Kläger -

Prozeßbevollmächtigte zu 1 und 2:

 

GEGEN

 

- Beklagte -

Prozeßbevollmächtigter:

 

Wegen Forderung

 

Hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Heidelberg auf die mündliche Verhandlung vom 17.01.06 durch Richterin ... als Einzelrichter für Recht erkannt:

 

1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin zu 1) die Ausübung einer Sondertilgung des ...,

Darlehens Nr. ... in Höhe von ... EUR ohne Zahlung einer

Vorfälligkeitsentschädigung zu gestatten.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

 

Die Kläger begehren mit der Klage die Gestattung der Ausübung eines vertraglichen Sondertilgungsrechts durch die Beklagte.

 

Bis zum Jahr 2000 war der Kläger zu 2) bei der Beklagten in deren Filiale in beschäftigt, zuletzt als stellvertretender Filialleiter. Am 27.09.1995 schlossen die Parteien einen Darlehensvertrag über ... DM, der durch Vereinbarung vom 27.09.1995 abgeändert wurde. Aufgrund dieser Änderung wurde unter Ziffer 6 der Änderungsvereinbarung die folgende Vertragsklausel zum Vertragsbestandteil gemacht: "Sondertilgungen in Höhe von ... DM pro Jahr sind möglich". Die Vertragsverhandlungen wurden von dem Mitarbeiter der Beklagten ... geführt. Die. Genehmigung für die Einräumung des Sondertilgungsrechts wurde vom Vorstand der Beklagten erteilt, der hierfür zum damaligen Zeitpunkt die alleinige Kompetenz hatte. Dies war auch dem Kläger zu 2) bekannt. Im Jahr 2004 traten die Kläger an die Beklagte mit dem Wunsch heran, auf den Darlehensrestbetrag Sondertilgungen in Höhe von insgesamt ... DM für die Jahre 1998 bis 2004 zu leisten. Die Beklagte verweigerte sich diesem Begehren für die Jahre 1998 bis 2003.

 

Die Kläger behaupten, der Kläger zu 2) sei bei Abschluß der Veränderungsvereinbarung davon ausgegangen, dass die streitgegenständliche Vertragsklausel dahingehend zu verstehen sei, dass diese eine Kumulierung der Sondertilgungsrechte für vergangene Jahre ermögliche, wenn in einzelnen Jahren keine Sondertilgungen erfolgt seien. Sie sind der Ansicht, die Klausel sei dahingehend auszulegen, dass sie die Kumulierung der Sondertilgungsrechte gerade erlaube. Unklarheiten gingen jedenfalls zu Lasten der Beklagten als der überlegenen Vertragspartei.

 

Die Kläger beantragen,

die Beklagte zu verurteilen, den Klägern die Ausübung einer Sondertilgung des Darlehens Nr. ... in Höhe von ... EUR ohne Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung zu gestatten.

 

Die Beklagte beantragt Klagabweisung.

 

Die Beklagte behauptet, bei den Vertragsverhandlungen zwischen ... und dem Kläger zu 2) sei zum Ausdruck sei, dass Sondertilgungen nur für das jeweilige Jahr zulässig seien. Der Kläger zu 2) habe gewußt, dass es absolut gängige Praxis sei, dass Sondertilgungen für ein Vertragsjahr vereinbart werden und dass eine Rückbezüglichkeit ausgeschlossen sei. Die Beklagte ist der Ansicht, die streitgegenständliche Klausel sei unmißverständlich.

 

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien verwiesen.

 

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen ... und durch Parteivernehmung des Klägers zu 2). Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird ( auf die Protokolle vom 15.11.05 und 17.01.06 verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

 

Die Klage ist zulässig und begründet.

 

1. Die Kläger haben einen Anspruch auf Gestattung der begehrten Sondertilgungen aus der streitgegenständlichen Klausel unter Ziffer 6 der Änderungsvereinbarung vom 27.09.1995. Dies ergibt sich aus einer Auslegung der Klausel anhand von Wortlaut, äußerer Vertragsumstände und anhand von Treu und Glaube (§ 157 BGB).

 

Ein der Vertragsauslegung vorgehender übereinstimmender (BGH NJW-RR 1993, 373) Wille der Parteien bei Vertragsschluß dahingehend, dass Sondertilgungen nur für das jeweilige Jahr möglich sein sollten, konnte nicht festgestellt werden. Der Zeuge ... hat in seiner Vernehmung ausgesagt, dass Einzelheiten hinsichtlich der Ausübung von Sondertilgungsrechten mit den Klägern nicht besprochen worden seien. Dies sei ihm nicht erforderlich erschienen, da der Kläger zu 2) in seiner Funktion als stellvertretender Filialleiter selbst Sondertilgungsrechte bearbeitet habe. Die Sondertilgungsrechte seien auch des öfteren Streitpunkt mit Kunden gewesen. Der Vorstand habe die betreffenden Regelungen äußerst restriktiv ausgelegt, was der Kläger zu 2) in seiner Position habe wissen müssen. Der Zeuge ... konnte also gerade nicht die Behauptung der Beklagten bestätigen, bei den Verhandlungsgesprächen sei angesprochen worden, dass Sondertilgungen nur für das jeweilige Jahr zulässig seien. Er äußerte lediglich die Vermutung, dem Kläger zu 2) habe die Problematik aufgrund seiner Position bekannt sein müssen. Letzteren Schluß hält das Gericht jedoch für nicht zwingend. Der Kläger zu 2) hat in seiner Vernehmung glaubhaft versichert, ihm sei zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht bekannt gewesen, dass ein Kumulierungsverbot bestanden habe. Mit seinen Kunden habe es insoweit auch keine Probleme gegeben. Es erscheint auch nicht völlig ausgeschlossen, dass der Kläger zu 2) trotz seiner Stellung als stellvertretender Filialleiter nie mit derartigen Problemen konfrontiert wurde.

 

2. Da kein übereinstimmender Wille ermittelt werden konnte, war die Vertragsklausel auszulegen.

a. Die Auslegung der Vertragsklausel hatte sich zunächst an deren Wortlaut zu orientieren. Die Wortlautauslegung führte jedoch zu keinem eindeutigen Ergebnis. Der Ausdruck "pro Jahr' kann einerseits dahingehend verstanden werden, dass damit nur das jeweilige Vertragsjahr gemeint und somit auch nur eine Tilgung im jeweiligen Vertragsjahr möglich sein solle. Andererseits ist auch die Auslegung möglich, dass pro vergangenes Vertragsjahr eine Sondertilgung in entsprechender Höhe erlaubt sein solle, unabhängig davon zu welchem Zeitpunkt diese erfolge.

 

b. Äußere Begleitumstände bei Vertragsschluß, die zu einem bestimmten Auslegungsergebnis führen, wurden nicht vorgetragen. Insbesondere kann aus dem Umstand, dass der Vorstand der Beklagten alleine für die Einräumung von Sondertilgungsrechten zuständig war, nicht der Schluß gezogen werden, die Klausel sei im von der Beklagten vorgetragenen Sinne zu verstehen.

 

c. Hiervon ausgehend hatte eine an Treu und Glaube orientierte Auslegung zu erfolgen, § 157 BGB, die im Ergebnis dazu führt, der Klausel einen Anspruch auf Kumulierung der Sondertilgungsrechte zu entnehmen. Für eine Auslegung im Sinne der Beklagten sprach der Umstand, dass der Kläger zu 2) bei der Beklagten in gehobener Position angestellt und somit informierter war als der Durchschnittskunde, sich aber entsprechende Informationen jedenfalls verschaffen konnte. Zu berücksichtigen ist jedoch andererseits, dass die Vergabe von Darlehen zum Tagesgeschäft eines Geldinstitutes gehört. Die tägliche Arbeit mit der Vergabe von Darlehen ermöglicht es einem Bankinstitut, im Verkehr mit ihren Kunden unmißverständliche Vertragsklauseln zu verwenden. Die Einfügung eines klarstellenden Zusatzes wäre der Beklagten ohne weiteres möglich gewesen. Unterläßt die Bank dies, kann dieser Umstand nicht zu Lasten des Vertragspartners gehen, auch dann nicht, wenn es sich um einen Mitarbeiter der Beklagten handelt. Eine Auslegung der Vertragsklausel im Sinne der Kläger benachteiligt die Beklagte auch nicht unangemessen. Denn hätten die Kläger jährlich von ihrem Tilgungsrecht Gebrauch gemacht, wären der Beklagten ebenfalls Zinsverluste entstanden.

 

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 11, 2. Alt. ZPO.