Verjährung bedroht alte Ansprüche aus Kredit und Kapitalanlage

Fachartikel

Obwohl von erheblicher wirtschaftlicher und rechtlicher Brisanz im Bereich von Finanzierung und Kapitalanlage wird das reformierte Schuldrecht, das am 01.01.2002 in Kraft getreten ist, von fremdfinanzierten Unternehmen, privaten Schuldnern und Kapitalanlagern kaum beachtet. Dieser Mangel an Aufmerksamkeit kann – bezieht man sich nur auf die Neuregelung der Verjährung – zu erheblichen rechtlichen Konsequenzen, nämlich zum Verlust bestehender Ansprüche führen.

Viele Ansprüche sind betroffen. Hier eine Auswahl:

1.        Die Bank hat den Zinssatz des Kontokorrentkredits oder des Darlehens häufig nach oben, selten nach unten angepaßt. Es besteht ein höchstrichterlich abgesegneter Anspruch auf Anpassung im Gleichschritt mit der Entwicklung des Marktzinsniveaus.

2.        Die Bank hat unzulässige oder unzulässig hohe Bearbeitungsgebühren, Bereitstellungszinsen, Mahngebühren, Verzugszinsen, Vorfälligkeits- oder Nichtabnahmeentschädigungen berechnet. Sie hat das unverbrauchte Disagio nicht erstattet.

3.        Die Bank hat Einzahlungen zu spät wertgestellt, Lastschriften dagegen sofort oder verfrüht wertgestellt.

4.        Bank, Vermittler oder Anlageexperte haben falsch beraten, z.B. ein Darlehen, gekoppelt mit einer Lebensversicherung oder einen Bausparvertrag verkauft, obwohl das einfache Tilgungsdarlehen günstiger ist.

5.        Bank, Vermittler oder Anlageberater haben zum Kauf fremdfinanzierter schlecht vermietbarer Eigentumswohnungen oder zum Beitritt zu einem notleidenden Fonds geraten.

In all diesen Fällen ist Eile geboten, denn die Anwaltskanzleien werden in den nächsten Jahren mit einer Flut von Altansprüchen zu kämpfen haben.

Hintergrund: § 195 BGB verkürzt die gegenwärtig noch geltende regelmäßige Verjährungsfrist von 30 auf 3 Jahre. Noch heute lassen sich bestehende Altansprüche zumeist 30 Jahre zurückverfolgen. Spätestens am 01.01.2005 sind jedoch alle heute noch bestehenden Altansprüche der Fallgruppen 1-5 komplett verjährt. Innerhalb der nächsten 3 Jahre sind somit die Altansprüche von mehr als 25 Jahren bei den Gerichten einzuklagen, anderenfalls entfallen sie – ein massives Beschäftigungsprogramm für die deutsche Justiz.

Viele der Betroffenen scheuen jedoch die Mühe, die alten Belege zusammenzutragen, vielfach fürchten sie auch, den Vorgang nicht mehr in einer Weise belegmäßig rekonstruieren zu können, so daß ein Gericht der Klage folgt. Diese Furcht ist weitgehend unbegründet, so jedenfalls der ehemalige Vorsitzende des Bankensenats beim Bundesgerichtshof Herbert Schimansky in einem Aufsatz zu dieser Problematik (Wertpapiermitteilungen 2001, 1889, 1892 ff.).

Nimmt ein Kreditinstitut Belastungsbuchungen auf dem Konto des Bankkunden vor und beruft sich dabei auf Regelungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, welche nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung als unwirksam anzusehen sind (Fälle 1-3), so hat der Kunde Anspruch auf kostenlose Rechnungslegung.

Rechtlich dokumentiert die Belastungsbuchung nämlich nur die Ansicht der Bank, eine Gebühr in dieser Höhe verlangen zu dürfen. Ist die Ansicht rechtlich nicht haltbar, so gewinnt der Kunde einen Anspruch auf kostenfreie Berichtigung der Buchung. Auch wenn die Bank sich ihrer Verpflichtung zur Stornierung der unberechtigten Buchungen dadurch zu entziehen sucht, daß sie ihren Kunden auffordert, die fehlerhaften Buchungen zu benennen und ihm dafür die erforderlichen Unterlagen liefert, steht ihr nach Schimansky (WM 2001, 1899, 1893) weder Aufwendungsersatz noch Vergütung zu.

Im übrigen muß sich kein Kunde darauf einlassen, die fehlerhaften Buchungen zu benennen, die Bankhäuser selbst sind zur rechtmäßigen und fehlerfreien Buchungspraxis verpflichtet. Da sich die fehlerhaften Buchungen unter Berücksichtigung von Zins und Zinseszins auf den gesamten Kontenverlauf auswirken, ist es überdies Pflicht der Bank, das Konto für den Kunden kostenfrei neu abzurechnen.

Gelangen derartige Streitigkeiten vor die Gerichte, so ist es ebenso nicht Aufgabe des Bankkunden, der häufig in der Klägerrolle steht, den Klagantrag genauestens mit entsprechenden Informationen und Berechnungen zu unterlegen, vielmehr reicht es aus, daß er dem Gericht plausibel macht, daß Fehlbuchungen erfolgt sind. Allenfalls wird eine grobe Bezifferung des Schadens erforderlich, damit der Streitwert des Verfahrens festgelegt werden kann (Schimansky, WM 2001, 1899, 1893).

Gegenüber Kunden, die fehlende Unterlagen anfordern, greifen Banken gerne zur Ausflucht, die handelsrechtliche Aufbewahrungsfrist sei abgelaufen. Das ist unzulässig, solange die Akten tatsächlich noch nicht vernichtet wurden oder nur deshalb der lediglich von der Zeitspanne her berechtigten Vernichtung anheimfielen, weil der Kunde als Anspruchsteller auftrat (BGH, WM 2001, 621). Die Bank trägt auch die Darlegungslast dafür, daß die Akten tatsächlich vernichtet wurden, und daß keine weiteren Informationsquellen existieren, mit denen der in Streit stehende Sachverhalt aufgeklärt werden kann (BGH, WM 1994, 2192).

Selbst dann, wenn das Gericht zu dem Ergebnis kommt, daß wegen der Vernichtung wichtiger Unterlagen sich die zu klärenden Umstände nicht mehr rekonstruieren lassen, bedeutet dieses Ergebnis nicht automatisch auch, daß die Klage abzuweisen ist Vielmehr kann sich das Institut einer Beweisvereitelung schuldig gemacht haben. Dafür reicht bereits die fahrlässige Vernichtung von Unterlagen aus (BGH, Neue Juristische Wochenschrift 1994, 1594, 1595; BGH, NJW-Rechtsprechungsreport 1996, 1534).

Für alle Fälle, in denen bspw. überhöhte Vorfälligkeitsentschädigungen oder zu geringe Disagioerstattungen ermittelt wurden, in denen fehlerhafte Wertstellungen oder verspätete Tilgungsanrechnungen erfolgten, haben die Kreditinstitute die Unterlagen über die handelsrechtlichen Aufbewahrungsfristen hinaus solange aufzubewahren, wie von der Kundschaft typischerweise Erstattungsansprüche erwartet werden können. Diese Frist endet nicht selten mit Ablauf der Verjährungsfrist.

Die Pflicht, Unterlagen wegen möglicherweise berechtigter Rückerstattungsforderungen über die handelsrechtlichen Fristen hinaus aufzubewahren, entsteht, so Schimansky (WM 2001, 1889, 1894), übrigens nicht erst mit Verkündung eines entsprechenden höchstrichterlichen Urteils, sondern bereits vorher, nämlich in dem Zeitpunkt, von dem an mit einem solchen Urteil zu rechnen ist.

Geschädigte Bankkunden sollten sich also wegen fehlender Unterlagen nicht zu schnell ins Bockshorn jagen lassen. Im Regelfall ist es Aufgabe der Bank die Ordnungsmäßigkeit der Kontoführung zu beweisen.

 

 

 

Autor
Angela Wehrt-Sierwald
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