Ehepartner bürgen vielfach nur aus emotionaler Verbundenheit

Fachartikel

Inhaber von Immobilien- und Bauträgergesellschaften haben es in der derzeitigen wirtschaftlichen Situation nicht leicht. Liquiditätsengpässe bedrohen das wirtschaftliche Überleben. Den notwendigen Kredit stellen die Banken und Sparkassen nur bereit, wenn sich der Darlehensnehmer weitreichenden Verpflichtungen unterwirft.

Nicht selten wird von den Unternehmensinhabern verlangt, daß sich auch noch der Ehepartner, zumeist die Ehefrau, für die Rückzahlung des Firmenkredits persönlich verpflichtet. Ohne diese Mitverpflichtung würde der Kredit nicht gewährt. Aus emotionaler Verbundenheit unterschreibt sodann der Ehepartner eine Verpflichtungserklärung, die er nie wird einlösen können, weil sie ihn krass überfordert.

Aus Sicht des Bundesgerichtshofes gilt bei Bürgschaften und Mitverpflichtungserklärungen, die den darin Verpflichteten wirtschaftlich deutlich überfordern, zunächst einmal die Vermutung, daß der Unterzeichner diese Erklärung nicht ganz freiwillig unterschrieb, vielmehr mag die soziale Verbundenheit und emotionale Nähe zum Lebenspartner dafür den Ausschlag gegeben haben.

Hat sich der Kreditgeber die emotionale Nähe zwischen den Eheleuten zu Nutze gemacht und eine Unterschrift erhalten, die er anderenfalls nie erhalten hätte, so ist die unterzeichnete Erklärung unwirksam wegen Sittenwidrigkeit.

So bürgte eine ansonsten vermögenslose halbtags tätige Lehrerin mit siebenjährigem Sohn, deren Einkommen die Pfändungsgrenze unterschritt, für die Rückzahlung eines Bauträgerkredits über 100.000 DM (BGH ZIP 2002, 1187). In einem anderen Fall verpflichtete sich eine Architektin, Mutter zweier Kinder, mit einem Vermögen von gerade einmal 18.000 DM für die Rückzahlung eines Kredites der Firma ihres Ehemanns, in der sie selbst auch mitarbeitete, bis zu einem Betrag von 9,86 Mio. DM (BGH ZIP 2002, 1190).

Die Vermutung, daß der krass überforderte Bürge nicht aus emotionaler Verbundenheit handelte, ist allerdings widerleglich. Das Kreditinstitut trägt dafür die Beweislast.

Einen Ansatzpunkt dafür stellt die Behauptung dar, mit der Mitverpflichtung wurde lediglich der Zweck verfolgt, spätere zielgerichtete Vermögensverlagerungen zwischen den Ehepartnern zu unterbinden. Zwar hatte der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes eine derartig ausgerichteten Zweck der Bürgschaft grundsätzlich für schutzwürdig erachtet, diese Ausrichtung aber nur gelten lassen, wenn tatsächlich Vermögensverschiebungen zwischen den Ehepartnern stattgefunden hatten (BGH ZIP 1995, 203, 204; BGH ZIP 1997, 406, 408; BGH WM 2000, 23, 25).

Der seit dem 1. Januar 2001 für Bürgschaftssachen zuständige XI. Zivilsenat verschließt sich allerdings dieser Argumentation (BGH ZIP 2002, 1187, 1189; BGH ZIP 2002, 1190, 1190): Bürgschaften oder Mithaftungsabreden werden regelmäßig auf von der Bank vorbereiteten Formularen abgegeben, die diese für eine Vielzahl von Verträgen vorbereitet hat. Die darin enthaltenen Klauseln tragen damit den Charakter von Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Ihrem Inhalt nach beziehe sich die hier in Streit stehende Klausel nicht nur auf den Zweck, Vermögensverlagerungen zu unterbinden, sondern trage allgemeinen Bürgschaftscharakter. Eine eingeschränkte Auslegung der Klausel derart, ihre Gültigkeit auf den Fall der Vermögensverlagerungen zu beschränken, mißachte allgemein anerkannte Auslegungsgrundsätze und verstoße gegen das Verbot einer „geltungserhaltenden Reduktion“ – die Beschränkung einer rechtlich unzulässigen Klausel auf ihren gerade noch zulässigen rechtlichen Inhalt.

Damit erteilt der BGH einer wirksamen Haftungsvereinbarung für den Fall krass überforderter Ehepartner eine deutliche Absage.

Auch das Argument, angesichts der nunmehr geänderten Rechtsprechung müsse zumindest ein Vertrauenstatbestand zugunsten des Kreditinstituts gelten, das auf den Fortbestand der bisherigen Rechtsprechung vertraut hat, wurde zurückgewiesen. Schon in der Vergangenheit habe Uneinigkeit zwischen dem IX. und XI. Zivilsenat über die Wirksamkeit von Verträgen, die den Mithaftenden krass überfordern, bestanden. Von einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung konnte somit keinesfalls die Rede sein.

An welchen Merkmalen erkennt man eine ruinöse, den Bürgen oder Mithaftenden krass überfordernde Haftungsübernahme? Entsprechend der Rechtsprechung des BGH deuten sich hier die nachfolgenden Kriterien an: Heranzuziehen sind die bei Haftungsübernahme bestehenden Einkommens- und Vermögensverhältnisse. Die insgesamt eingegangene Bürgschaftsverpflichtung ist zunächst um den erwarteten Verwertungserlös aus dem bestehenden Vermögen des Bürgen oder Mithaftenden zu reduzieren. Für den verbleibenden Teil der Bürgschaftssumme muß sichergestellt sein, daß der Verpflichtete diesen auf Dauer als Darlehen bedienen kann. So wird vom monatlich verfügbaren Einkommen zunächst der nicht pfändbare Teil abgezogen, das verbleibende Einkommen darf sodann nicht ausreichen, die noch verbleibende monatliche Zinsbelastung aus dem Bürgschaftskredit zu tragen.

Auch in diesem Punkt hatte sich der XI. Zivilsenat mit seiner Rechtsprechung gegenüber dem IX. Zivilsenats durchgesetzt, denn dieser vertrat noch vor seiner Entscheidung vom 27.01.2000 (BGH WM 410,412) die Auffassung, daß bei Ermittlung des Vermögens, die auf dem Vermögen lastenden dinglichen Rechte Dritter unberücksichtigt bleiben.

Was ist bei einer Inanspruchnahme aus Bürgschaft oder Mitverpflichtung zu tun? Sich wirtschaftlich überfordert fühlende Bürgen oder Mitverpflichtete sollten von fachkundigen Anwälten prüfen lassen, ob die Inanspruchnahme rechtlich zulässig ist.

Autor
Susanne Hahn
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Prof. Dr. Klaus Wehrt
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