Verjährungsgefahr bei überhöhter Vorfälligkeitsentschädigung

Fachartikel

Der Berechnungsstichtag für die Entschädigungsermittlung

Rückzahlungszeitpunkt als Stichtag für die Entschädigungskalkulation

Mit der zweiten Variante wird als Stichtag für die Vorfälligkeitsentschädigungsermittlung der Zeitpunkt angesetzt, zu dem der Darlehensnehmer Darlehensvaluta und Vorfälligkeitsentschädigung tatsächlich zahlt. Für den ersten Zinszeitraum kann der Darlehensgeber für das planmäßig zu bedienende Kapital als Verzugsschaden zumindest den Vertragszinssatz ansetzen. Damit ist sein Erfüllungsinteresse gewahrt. Die Rechtsprechung gestattet ihm daneben sogar, einen über den Vertragszinssatz liegenden Bruttosollzinssatz für die Verzugsschadensberechnung zu benutzen, was zu einer Überkompensation führt.

Mit der Rückzahlung des Darlehenskapitals macht der Darlehensgeber sodann die Entschädigungskalkulation auf. Die Vorfälligkeitsentschädigung überbrückt die Zinsspanne zwischen dem Vertragszinssatz und den dann geltenden Marktkonditionen. Damit ist auch für den zweiten Zinszeitraum ein Ersatz des Erfüllungsinteresses sichergestellt, denn der Kreditgeber hat das erforderliche Kapital, um die bei der Entschädigungsberechnung postulierten Anlagealternativen wahrzunehmen. Diese Alternativen stehen ihm tatsächlich zur Verfügung. Daneben hat er die Option, mit der Valuta zu spekulieren, die zugrundegelegten Anlagegeschäfte auszuschlagen und sein Glück in anderen, risikobehafteten Geschäften zu suchen. Der erste und zweite Zinszeitraum unterscheiden sich für den Darlehensgeber maßgeblich somit nur darin, daß im zweiten Zeitraum mit der Valuta spekuliert werden kann, im ersten Zeitraum dagegen nicht.

Stichtag Rückzahlungszeitpunkt

Eine wichtige Variable bleibt in der Hand des Darlehensnehmers. Er entscheidet, wann er die Valuta zurückgibt. Zwar wird die Sanktion der Verzugszinsen ihn nicht frei entscheiden lassen, sondern bedrängen, das Darlehen auch zeitig zurückzuzahlen; nichtsdestoweniger lohnt sich das folgende Kalkül: Mit jeder Woche des Zuwartens steigt einerseits der Schadensersatz, der wegen des Verzugs zu begleichen ist, in Zeiten steigender Zinsen sinkt andererseits mit jeder Woche des Zuwartens die zu begleichende Vorfälligkeitsentschädigung.

Ein erwarteter Anstieg des Marktzinsniveaus wird den Schuldner dazu bewegen, die Rückzahlung zu verschleppen, ein sinkendes Marktzinsniveau wird ihn dagegen dazu bewegen, die Rückzahlung zeitig durchzuführen. Gerade in solchen Zeiten (erwarteter Zinsanstieg), in denen der Kreditgeber gerne mit der Valuta spekulieren würde, wird der Darlehensnehmer unter Umständen somit die Rückzahlung verschleppen und die Spekulation seines Gläubigers vereiteln. Gleichwohl bleibt dem Kreditinstitut der Ersatz des Erfüllungsinteresses sicher.

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Prof. Dr. Klaus Wehrt
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