Verjährungsgefahr bei überhöhter Vorfälligkeitsentschädigung

Fachartikel

Der Berechnungsstichtag für die Entschädigungsermittlung

Allgemeines

Im Zuge der Kündigung eines Darlehens mit festgeschriebenem Zinssatz durch den Darlehensgeber stellt sich die Frage, für welchen Stichtag die Vorfälligkeitsentschädigung zu ermitteln ist. Zur Wahl stehen jener Termin, zu dem der Darlehensgeber die Kündigung erklärte, sowie jener Termin, zu dem der Darlehensgeber die Valuta zurückerhält und die entsprechenden Wiederanlagegeschäfte erst tätigen kann. Die beiden Termine fallen häufig weit auseinander. Nur diese Problemfälle sind Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen.

Das Problem läßt sich anschaulich auf einem Zeitstrahl darstellen:

Berechnungsstichtag

In t1 wird die Kündigung erklärt, in t2 erfolgt die Rückzahlung der Valuta inkl. Vorfälligkeitsentschädigung und Verzugszinsen, in t3 endet der Zeitraum festgeschriebener Konditionen für das Darlehen. Nacheinander als Berechnungsstichtag diskutiert werden a) der Zeitpunkt der Kündigung als Stichtag für die Vorfälligkeitsentschädigungskalkulation, b) der Zeitpunkt der tatsächlichen Rückzahlung der Darlehensvaluta als Termin für die Schadenskalkulation.

Doch zuvor wird der Fall untersucht, in dem Kündigungstermin und Rückzahlungstermin zeitlich zusammenfallen. Mit der Kündigung des Darlehens erwirbt der Darlehensgeber einen Anspruch auf den Ausgleich des ihm durch die Kündigung entstehenden Zinsschadens. Die dafür zu ermittelnde Vorfälligkeitsentschädigung darf nach der Rechtsprechung des BGH nach einem Vergleich Darlehen gegen Darlehen aber auch nach einem Vergleich Darlehen gegen Pfandbriefe kalkuliert werden. Unter der ersten Berechnungsmethode – bisweilen auch als Aktiv-Aktiv-Vergleich bezeichnet – schuldet der Darlehensnehmer den sog. Zinsverschlechterungsschaden, der die Differenz zwischen den zwischenzeitlich gesunkenen Darlehenszinssätzen überbrückt, und zusätzlich dazu den sog. Zinsmargenschaden, der den entgangenen Gewinn des Kreditgebers für die Restlaufzeit des Darlehens bis zum nächstmöglichen Kündigungstermin des Darlehensnehmers umfaßt. Unter der zweiten Berechnungsmethode, dem Aktiv-Passiv-Vergleich, überbrückt dagegen die Vorfälligkeitsentschädigung die Differenz zu den Wiederanlagezinssätzen im Pfandbriefgeschäft. Weil der Darlehensgeber eine kostenträchtigere und riskantere Darlehensausleihe durch eine kostenärmere und sicherere Ersatzanlage tauscht, hat er allerdings ersparte Risiko- und Verwaltungskosten auszukehren.

Ein Beispiel: Das Darlehen mit Vertragszinssatz 10% wird sechs Jahre vor dem Ablauf der Zinsbindungsfrist gekündigt. Eine Wiederausreichung der vorzeitig einkehrenden Valuta als Darlehen führe auf eine Verzinsung von 7%, bei einer Anlage Pfandbriefen resultiere eine Durchschnittsverzinsung von 6%. Der entgangene Gewinn betrage jährlich 0,5 Prozentpunkte. Die Risikokostenersparnis belaufe sich auf jährlich 0,2 Prozentpunkte. Eine etwaige Verwaltungskostenersparnis bleibe unberücksichtigt.

In diesem Fall überbrückt die Vorfälligkeitsentschädigung im Zuge des Aktiv-Aktiv-Vergleichs eine Zinsspanne von 3,5 Prozentpunkten, im Zuge des Aktiv-Passiv-Vergleichs dagegen eine Zinsspanne von 3,8 Prozentpunkten.

Autor
Prof. Dr. Klaus Wehrt
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