Welche Pflichten müssen Geldinstitute bei der Kreditvergabe beachten?

Fachartikel

Hamburg (am) - Untersuchungen in den Kapitalmarktmedien  bringen es häufig an den Tag. Die Beratungsqualität der Geldinstitute läßt nicht selten zu wünschen übrig. Darauf, daß - induziert durch die Untersuchungen - der marktliche Wettbewerb zwischen den Instituten langfristig die optimale Beratungsqualität hervorbringt, kann sich der heute Ratsuchende nicht verlassen. Ein angemessenes Niveau von Beratungsqualität herzustellen, ist ebenso Aufgabe von Recht und Gesetz.

Bereits im Vorfeld des eigentlichen Abschlusses eines Kreditvertrages hat das Geldinstitut gewisse Pflichten zu beachten, deren Nicht- bzw. Schlechterfüllung zu Schadensersatzansprüchen führen können.

 

Der Beratungsvertrag

Tritt ein Kunde mit dem Wunsch nach Beratung an die Bank heran, und ist für den Berater dabei erkennbar, daß die Beratung für den Kunden von Bedeutung ist, weil er sie zur Grundlage seiner Vermögensdispositionen machen möchte, so kommt ein Beratungsvertrag mit einer entsprechenden Rechte- und Pflichtenverteilung zustande, sofern das Gespräch geführt wird. Im Rahmen dieses Vertrages ist die Bank zur vollständigen, unmißverständlichen und richtigen Beratung verpflichtet. Falschinformationen, aber auch unvollständige Informationen führen zur Verletzung des Beratungsvertrages und leiten zu Schadensersatzansprüchen der Kreditnehmer über.

 

Allgemeine vorvertragliche Pflichten bei der Kreditvergabe

Auch unabhängig vom Beratungsvertrag stellen schuldhafte Falschangaben im Vorfeld einer Kreditvergabe häufig die Verletzung eines vorvertraglich bereits bestehenden Vertrauensverhältnisses dar. Dafür hat der Kreditgeber einzustehen. So haftet er beispielsweise für einen falsch ermittelten Umschuldungsbetrag (OLG München, NJW RR 90, 438) ebenso wie für eine unrichtige Information über die künftigen Kreditbelastungen (BGH ZIP 1991, 645).

Andererseits ist die Bank im Vorfeld einer reinen Kreditvergabe regelmäßig nicht dazu verpflichtet, den Informationsbedarf des Kunden zu erforschen. Auch ist sie nicht dazu verpflichtet, diesen ungefragt über die für seine Entscheidung maßgeblichen Umstände aufzuklären. Informationspflichten ergeben sich nur in bezug auf Umstände, die von so wesentlicher Bedeutung sind, daß über sie eine Aufklärung erwartet werden kann. Über das Ausmaß entscheidet der Einzelfall. Die der Bank offensichtliche Lebens- und Geschäftserfahrenheit des Kunden ist dabei zu berücksichtigen. Generelle Maßstäbe lassen sich nicht aufstellen. In der Rechtsprechung haben sich jedoch Fallgruppen herausgebildet, die eine Aufklärungspflicht auslösen oder zumindest nahelegen.

Nimmt ein Kunde die Finanzierungsberatung der Bank nicht in Anspruch, so hat er die Zweckmäßigkeit der Kreditaufnahme selbst zu beurteilen. Er muß auch eigenverantwortlich über sein Leistungsvermögen befinden, ob er also die regelmäßigen Kreditraten künftig wird erbringen können. Das gleiche gilt für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit seines Vorhabens. Aufklärungspflichten kommen nur ausnahmsweise, nämlich beim Vorliegen der nachfolgenden Umstände in Betracht:

Konkreter Wissensvorsprung: Ein Wissensvorsprung in bezug auf die Risiken des zu finanzierenden Vorhabens verpflichtet zur Aufklärung. Dieser Fall ist gegeben, wenn dem Kreditgeber die Zahlungsunfähigkeit des Vertragspartners des Kreditkunden bekannt ist (BGH NJW 1992, 2146, 2147), ebenso wenn sie weiß, daß für den Vertragsschluß wesentliche Umstände des finanzierten Geschäfts vom Vertragspartner verschleiert werden (BGH NJW-RR 1992, 373, 373).

· Überschreitung der reinen Kreditgeberrolle: Schaltet sich das Kreditinstitut offen in die unternehmerische Planung, Werbung oder Durchführung des zu finanzierenden Projekts ein, übernimmt sie erkennbar Funktionen, die typischerweise der Vertragspartner trägt, dann tritt sie nicht länger als reiner Kreditgeber auf. Es treffen sie deshalb Aufklärungspflichten auch über die Risiken des Projekts.

· Schaffung/Begünstigung eines speziellen Gefährdungstatbestandes: Auf einen zusätzlichen Gefährdungstatbestand hat die Rechtsprechung in einem Fall erkannt, indem die Bank trotz des Fehlens ausreichender Sicherheiten ein Bauherrenprojekt vorfinanzierte und allein dadurch das Projekt in Gang setzte (BGH NJW 1992, 879 f).

· Interessenkollision: Eine Interessenkollision besteht, wenn die Bank bereits als Kreditgeberin der Initiatoren des zu finanzierenden Projektes auftrat.

Die Rechtsprechung hat die vorgenannten Fallgruppen zu den sog. "Bauherrenmodellen" entwickelt. Diese Grundsätze sind jedoch auf andere Konstellationen übertragbar.

Weitere Aufklärungspflichten ergeben sich bei intransparenten Finanzierungskonstruktionen und nachteiligen Umschuldungen. So manche neue Darlehensform wird unter einer Phantasiebezeichnung angeboten. Die Konstruktion ist  häufig so gewählt, daß sie die Markttransparenz aufhebt und damit den direkten Preisvergleich verhindert. Eine Aufklärungspflicht besteht insbesondere dann, wenn der Anschein eines besonders vorteilhaften Angebots erweckt wurde, der Kredit in Wahrheit aber zu überdurchschnittlichen Belastungen des Kunden führte (BGH, WM 1991,181). Wirtschaftlich nachteilige Umschuldungen werden von der Rechtsprechung bisweilen sogar als sittenwidrig eingestuft. Unterhalb der Grenze zur Sittenwidrigkeit besteht eine Aufklärungspflicht der Bank im Falle der externen Umschuldung z.B. dann, wenn sich abzulösende Kredit als wirtschaftlich wesentlich günstiger als der Umschuldungskredit erweist, die Bank gleichwohl die Umschuldung verlangte.

Autor
Susanne Hahn
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Prof. Dr. Klaus Wehrt
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